
Ein chiropraktischer Blick auf die mentale Widerstandskraft bei Kindern und Jugendlichen
Unser aller Adoleszenz wird für andere vor allem durch äußere Veränderungen sichtbar. Neue Behaarung, Kurven und Co. gehen aber auch mit weniger offensichtlichen, inneren Veränderungen einher. Dazu gehört ein langsam entstehendes Identitätsgefühl ebenso wie die Erprobung der Fähigkeit, sich in viel komplexeren sozialen Umfeldern zurechtzufinden. All das ist begleitet von tiefgreifenden Veränderungen in der Gehirnorganisation, z.B. im Hypothalamus, der zahlreiche Körperfunktionen kontrolliert.
Aufgrund dieser noch sehr intensiven Entwicklung können Teenager auch anders auf Stress reagieren als Erwachsene. Unter anderem, indem sich vorhandene Neigungen zu stressbedingten psychischen Störungen wie Angst und Depression im Alltag manifestieren. (1,2)
Zwei Forscherinnen der Universität Sussex veröffentlichten 2019 eine Studie, deren Forschungsergebnisse darauf hindeuten, dass Kinder mit psychischen Problemen heute schlechtere Beziehungen zu Gleichaltrigen, schlechtere Schulnoten und eine schlechtere psychische Gesundheit in der Adoleszenz haben als noch vor 40 Jahren. Auch der Anteil der 5- bis 15-Jährigen mit einer psychischen Störung stieg signifikant an: von 9,7 % im Jahr 1999 auf 11,2 % im Jahr 2017, wobei vor allem emotionale Störungen (wie Depressionen und Angstzustände) immer häufiger auftreten. Im Durchschnitt haben laut dieser Studie drei Kinder in einer Klasse mit 30 Schülern eine psychische Störung. (3) Und das bereits vor Corona – wie viele Untersuchungen zeigen, sind ist die Zahl der psychischen Erkrankungen bei jungen Menschen in diesem Zusammenhang noch einmal deutlich angestiegen. (4)
Neue Technologie, neue Panik?
Dabei von einer Epidemie psychischer Erkrankungen bei jungen Menschen zu sprechen, gern begründet mit der Vorstellung der angeblichen Schädlichkeit des Internets, scheint jedoch nicht zutreffend. Übertriebene Reaktionen auf transformative neue Technologien sind oft eher ein Ausdruck von therapeutischer oder diagnostischer Hilflosigkeit. Beispielsweise wurde schon im 19. Jahrhundert bei vielen Menschen die sogenannte „Eisenbahnkrankheit“ diagnostiziert, eine Art Neurose, die auf die unnatürlichen Bewegungen des Zugfahrens zurückgeführt wurde. Klar ist: Die Adoleszenz war schon immer eine herausfordernde Lebensphase. Die steigende Inzidenz von Depressionen ist jedoch zum Teil auf ein größeres Bewusstsein für psychische Gesundheit und Veränderungen in der diagnostischen Praxis zurückführen (5).
Aber auch andere gesellschaftliche Veränderungen der letzten Zeit – wie die Zunahme von Bewegungsmangel und Fettleibigkeit, Veränderungen im Drogen- und Alkoholkonsum und der frühere Eintritt von Kindern in die Pubertät – könnten dabei eine Rolle spielen. Da jedoch kein direkter Zusammenhang zwischen einem dieser Faktoren und der psychischen Gesundheit junger Menschen nachgewiesen werden konnte, sind weitere Untersuchungen erforderlich, bevor wir mit Sicherheit sagen können, was die Ursache für die Verschlechterung der beschriebenen psychischen Gesundheitsprobleme ist. Was sicher ist: Nach Erkenntnissen der Forscherinnen der Universität Sussex haben Jugendliche mit psychischen Problemen überproportional häufig schlechtere Noten. Sie heben auch hervor, dass die zunehmende Betonung des akademischen Erfolgs durch die Gesellschaft auf Kosten der psychischen Gesundheit junger Menschen gehen kann.
Wie so oft sind die Ursachen also nicht so einfach ermittelbar. Dennoch zeigen die Hinweise, dass mehr für die mentale Gesundheit der Kinder und Jugendlichen getan werden könnte. Denn die Widerstandskraft oder auch Resilienz gegen Stressfaktoren zu erhöhen, dient dann als wichtige Prävention. (3)
Justierungen als mentale Prophylaxe?
Von Einzelfallberichten bis hin zu randomisierten Studien – der Wirkungszusammenhang von chiropraktischen Behandlungen im Kontext von psychischen Problemstellungen ist seit Langem auch ein Feld theoretischer Analysen. 2007 kam eine systematische Übersichtsarbeit, die psychologische Ergebnisse in randomisierten kontrollierten Studien zur Wirbelsäulenmanipulation untersuchte, zu dem Schluss, dass „es Hinweise darauf gab, dass die Wirbelsäulenmanipulation die psychologischen Ergebnisse im Vergleich zu verbalen Interventionen verbesserte.“ Positive Reaktionen wurden bei Personen mit Erkrankungen wie Sucht, Depression, ADHS, Autismus, Legasthenie und Lernbehinderungen berichtet. (6)
Hier zeigt sich, was Chiropraktiker*innen in ihren Praxen auch beobachten: Auch die mentale Widerstandskraft kann von der regelmäßigen Entstressung des neuro-biologischen Systems profitieren. In Zeiten besonderer Belastung, wie sie eben auch die Pubertät darstellt, können Justierungen demnach ein gesundes Wachstum unterstützen.
Passend zum präventiven Gedanken der Chiropraktik fordern die Forscherinnen der Universität Sussex mit Blick auf psycho-soziale Dienste auch kontinuierliche Kontrolle und Zugang zu entsprechenden Diensten während des gesamten Jugendalters und vielleicht bis ins Erwachsenenalter. (7) Das entspricht dem chiropraktischen Anspruch, sich auch ohne akute Beschwerden regelmäßig justieren zu lassen – mit dem Ziel, so die eigene Gesundheit zu verbessern und auf hohem Niveau zu erhalten, um den Belastungen des modernen Alltags bestmöglich gewachsen zu sein.
Veröffentlicht: Juli 2021
Quellen:
1 https://www.nimh.nih.gov/health/publications/the-teen-brain-7-things-to-know/
2 https://www.dasgehirn.info/grundlagen/pubertaet/pubertaet-wenn-das-gehirn-gross-wird
3 https://theconversation.com/impact-of-child-mental-health-problems-is-worse-than-40-years-ago-our-new-study-suggests-112020
4 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/124048/Corona-und-Psyche-Experten-mahnen-junge-Menschen-besonders-zu-unterstuetzen
5 https://theconversation.com/social-media-is-not-to-blame-for-depression-in-young-people-73635
6 https://www.researchgate.net/publication/320373922_Chiropractic_and_Mental_Health_A_Brief_Overview/citation/download
7 https://theconversation.com/impact-of-child-mental-health-problems-is-worse-than-40-years-ago-our-new-study-suggests-112020